Aktualisiert am 01.07.2023 (Autorin: Miriam Rommel)

Eine Situation, die sich ein Hundeführer kaum vorstellen mag: Während einer Drückjagd wird der eigene oder ein anderer vierläufiger Jagdgefährte von einem Wolf angegriffen. So erging es im Januar 2019 einem Jagdgast aus den Niederlanden auf einer Drückjagd in Brandenburg. Um die Hunde anderer Jagdteilnehmer zu retten, hatte er den Wolf erschossen, nachdem lautes Rufen, Klatschen und ein Warnschuss das Tier nicht zum Ablassen gebracht haben sollen. Es folgte ein Strafverfahren, nach nun über vier Jahren fiel endlich das Gerichtsurteil. Klarheit für andere Jäger in ähnlichen Situationen, brachte es allerdings nicht.

In der Podcastfolge “Urteil zum Wolfsabschuss in Brandenburg” erläutert Friedrich von Massow, Justiziar des Deutschen Jagdverbandes e. V. (DJV), im Interview, welche Auswirkungen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Potsdam haben kann und wie sich Hundeführerinnen und Hundeführer verhalten können, wenn Hunde auf der Jagd von einem Wolf angegriffen werden.

Landgericht Potsdam bestätigt den Freispruch des “Wolfsschützen” in der Berufungsverhandlung – Gesetzliche Regelungen und Rechtssicherheit für Tierhalter und Jäger fehlen jedoch weiterhin

Der DJV veröffentlichte nach der Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils durch das Landgericht Potsdam die Meldung “Freispruch für Wolfsschützen bestätigt”. Das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Potsdam hätte sich klar zugunsten des Schutzes von Jagdhunden im Falle eines Wolfsangriffs positioniert.

“Umso mehr ist der Gesetzgeber jetzt aufgefordert, endlich Rechtssicherheit für Tierhalter und Jäger herzustellen”,

sagte der damalige DJV-Vizepräsident Helmut Dammann-Tamke in der Pressemeldung vom 21. Februar 2023.

Notwehr greift nicht bei Wolfsangriff

Nach § 7 Abs. 2 Nr. 14 und § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes ist der Wolf streng geschützt. Entgegen landläufiger Meinung ist das Erschießen eines solchen, der einen Jäger angreift, kein Fall von Notwehr. Laut Gesetz müsste bei Notwehr ein rechtwidriger Angriff unmittelbar bevorstehen oder bereits stattfinden. Da Tiere keine Gesetze kennen und somit nicht wissen, dass sie gegen diese verstoßen, greift der Tatbestand nicht. Deswegen muss man allerdings weder sich, noch seinen Hund, von einem Wolf anfallen lassen. Im Gesetz heißt es:

Rechtfertigender Notstand

Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.

Interessenabwägung: Wolf darf unter Umständen geschossen werden

Im Klartext: Bei einem Wolfsangriff muss also immer eine Abwägung stattfinden, welches Interesse überwiegt. Rein rechtlich gesehen steht der Schutz menschlichen Lebens immer an oberster Stelle. Heißt, sollte der Wolf sich nicht vertreiben lassen und greift eine Person an, darf er erschossen werden. Schwieriger wird es, wenn der Wolf ein anderes Tier anfällt. Ein Jäger darf nicht zur Büchse greifen, wenn Wölfe Nutztiere reißen. Der hohe Schutzstatus des Wolfes überwiegt wirtschaftlichen Interessen, ein Abschuss wäre wohl nicht verhältnismäßig im Sinne des Notstandsrechts. Fällt der Wolf hingegen einen Hund an, greift eine andere Güterabwägung, nämlich die Bindung zwischen Halter und Hund. Dabei ist es völlig egal, ob es sich um einen ausgebildeten Jagdhund handelt, oder der Angegriffene ein 14-jähriger Chihuahua ist. So zumindest in der Theorie.

Wolf von Jäger erschossen: Gerichtsurteil lässt Fragen offen

Jäger, aber auch sämtliche Verbände hatten mit Spannung auf das Gerichtsurteil im Fall des niederländischen Waidmannes gewartet und auf einen Präzedenzfall gehofft. Dieser allerdings blieb aus.

Bei einer Drückjagd hatte der 73-jährige Niederländer einen Wolf erschossen, um Hunde zu schützen. Die für das Verfahren zuständige Staatsanwaltschaft sprach den Mann nun endgültig frei, nachdem sie ursprünglich beantragt hatte, ihn zu einer Geldstrafe in Höhe von 14.000 Euro zu verurteilen. Der Fall war der erste Strafprozess in Deutschland wegen eines getöteten Wolfs.

Die Potsdamer Staatsanwaltschaft zog ihr Rechtsmittel gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam im April zurück, nachdem die schriftliche Urteilsbegründung geprüft worden war. Der Niederländer war in zwei Instanzen freigesprochen worden, zuletzt vom Landgericht Potsdam am 21. Februar 2023.

Der Jäger hatte bei der Verhandlung vor Gericht ausgesagt, er habe beobachtet, wie der Wolf mehrere Jagdhunde während der Drückjagd angegriffen habe. Um die Tiere zu schützen, habe er zunächst versucht, den Wolf durch Gesten, Rufen und einen Warnschuss zu vertreiben, bevor er ihn schließlich erschoss. Die Richter in Potsdam sprachen den Schützen frei, auch, weil ihm kein anderer Ablauf des Geschehens zweifelsfrei nachzuweisen war. Dies geht aus der schriftlichen Urteilsbegründung hervor.

Dem Mann kam dabei zugute, dass er als Niederländer nicht über das örtliche Vorkommen von Wölfen informiert war und keine Handlungsempfehlung erhalten hatte. Auch sei er nicht auf eine Empfehlung hingewiesen worden, Hunde während der Paarungszeit der Wölfe von Januar bis März anzuleinen. Der Schütze unterließ zudem in der unerwarteten Situation eine differenzierte Abwägung zwischen den teuren Jagdhunden einerseits und dem durch das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützten Wolf andererseits.

Ob besser informierte Jäger mit umfangreicheren Kenntnissen ähnlich hätten handeln dürfen, ließ das Gericht offen. Eine Rechtssicherheit für Hundehalter und Jäger gibt es demnach noch immer nicht. Wer einen Wolf in Deutschland grundlos tötet, dem drohen bis zu fünf Jahren Haft oder eine hohe Geldstrafe.

Wölfe wurden seit 2006 in Brandenburg wieder nachgewiesen. Für das Wolfsjahr 2021/2022 wurden 47 Rudel mit 160 Welpen vom Landesamt für Umwelt erfasst. Aufgrund von Vorfällen, bei denen Wölfe wiederholt durch Ortschaften streunten, in Ställe eindrangen und Nutztiere rissen, gab es zuletzt verstärkte Forderungen, Wölfe bejagen zu dürfen.

Wichtiger Hinweis:

Bei diesem Podcast (Interview) handelt es sich nicht um eine Rechtsberatung. Bitte wenden Sie sich bei individuellen Fragen an die Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir deshalb in den Kommentaren keine individuellen Rechtsfragen beantworten können.

Download DJV-Broschüre: “Hundearbeit im Wolfsgebiet”


► https://www.jagdverband.de/sites/default/files/Hundearbeit_im_Wolfsgebiet_Flyer_2018%20neuste%20Version.pdf

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