Die Chronic Wasting Disease (CWD), oft als chronische Auszehrungskrankheit bezeichnet, gehört zu den gefürchteten Prionerkrankungen beim wiederkäuenden Schalenwild. In Nordamerika ist die CWD seit Jahrzehnten verbreitet, in Europa wurde sie seit 2016 in Skandinavien nachgewiesen.
Was bedeutet das für Deutschland? In der aktuellen Jagdtalk-Episode erklärt Dr. Sonja Ernst vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) verständlich, wie die CWD entsteht, wie sie sich ausbreitet, wie der Nachweis funktioniert – und warum das bundesweite Monitoring „WiLiMan-ID“ (Ecology of Wildlife, Livestock, Human and Infectious Diseases in changing environments, übersetzt: “Ökologie von Wildtieren, Vieh, Menschen und Infektionskrankheiten in einer sich verändernden Umwelt”) so wichtig ist.
Ein aktueller Anlass: WiLiMan-ID und die CWD-Überwachung in Deutschland
Die CWD wurde bislang in Deutschland noch nicht nachgewiesen (Stand: Dezember 2025) und ist daher hier kein Problem wie in Teilen Nordamerikas – trotzdem wird das Thema ernster genommen als noch vor einigen Jahren. Der Grund: Prionen sind extrem stabil, und eine Einschleppung lässt sich nie völlig ausschließen – besonders durch menschliche Aktivitäten, Reisen und Tierkontakte.
Genau hier setzt WiLiMan-ID an: ein bundesweites Forschungs- und Überwachungsprojekt, das helfen soll, den CWD-Status des Schalenwildes in Deutschland belastbar einzuschätzen. Dr. Sonja Ernst beschreibt im Podcast, warum dafür Proben aus allen Bundesländern gebraucht werden – insbesondere von Rehwild, Rotwild und Sikawild – und wie Jäger mit überschaubarem Aufwand zur Datengrundlage beitragen können.
Weitere Informationen:
Was ist Chronic Wasting Disease (CWD)?
Die CWD ist eine Prionkrankheit bei Hirschen und anderen cerviden Wildarten. Anders als bei klassischen Seuchen gibt es hier kein Virus und kein Bakterium, sondern ein fehlgefaltetes Eiweiß: das Prionprotein.
Das Tückische: Prionen bringen körpereigene Proteine dazu, sich ebenfalls falsch zu falten. Dadurch entstehen nach und nach Schäden im Nervensystem – die Krankheit schreitet fort, endet fast immer tödlich und lässt sich nicht behandeln.
Kurz erklärt:
- CWD = chronische Auszehrungskrankheit des Schalenwildes
- Erreger = Prion (fehlgefaltetes Protein)
- Therapie = keine
- Ausgang = praktisch immer tödlich
Youtube-Links CWD/symptomatische Tiere:
(für die Inhalte sind die jeweiligen Ersteller/Herausgeber verantwortlich):
https://www.youtube.com/watch?v=XEbjO_Bl5Gg&t=12s
(ab min 1:45)
https://www.youtube.com/watch?v=67v1hkt-T3E
(etwas älteres Video, mit Bildern von symptomatischen Tieren und einem kurzen Interview von Beth Williams, die CWD zuerst beschrieben hat)
https://www.youtube.com/watch?v=74Fz2OUVi_A
(ein Erklärungsvideo auf Englisch vom Norwegischen Institut für Naturforschung):
Prionkrankheit – warum CWD mit BSE und Creutzfeldt-Jakob verglichen wird
Prionerkrankungen sind selten, aber bekannt:
- beim Menschen zum Beispiel die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
- beim Rind die BSE („Rinderwahn“)
Im Podcast wird deutlich: Der Vergleich dient dem Verständnis, weil der Mechanismus ähnlich ist – fehlgefaltete Proteine, die sich im Körper „fortpflanzen“. Gleichzeitig betont Dr. Ernst, dass man CWD nicht mit klassischen Infektionskrankheiten verwechseln darf: Prionen reagieren nicht wie Viren auf UV-Strahlung oder gängige Desinfektionsmittel. Das macht Hygiene, Dekontamination und Prävention so anspruchsvoll.
Geschichte und weltweite Verbreitung: Von Colorado bis heute
CWD wurde erstmals in den 1960er Jahren in einer Forschungseinrichtung in Colorado (USA) beobachtet. Seitdem hat sich die Krankheit in Nordamerika stark ausgebreitet.
Für Einordnung und Orientierung nennt der Podcast zentrale Zahlen zur Verbreitung (Stand: April 2024): CWD wurde in 33 US-Bundesstaaten und in fünf Provinzen Kanadas nachgewiesen. Je nach Region sind sowohl frei lebende Bestände als auch Tiere in Gehegen betroffen. Das zeigt: Die CWD ist kein theoretisches Problem, sondern eine reale, seit Jahrzehnten wachsende Herausforderung.
CWD in Europa: Nachweise seit 2016 in Skandinavien
Europa ist seit 2016 Teil der CWD-Geschichte: Der erste Nachweis gelang bei einem Rentier in Südnorwegen. Durch aktive Überwachung wurden seitdem in Skandinavien weitere Fälle früh erkannt – auch bei anderen Arten wie Elch und Rothirsch.
Für Deutschland ist vor allem ein Punkt wichtig: Jagd- und Reisetätigkeit kann – unbeabsichtigt – zum Risiko werden, wenn Ausrüstung, Schuhe oder Materialien aus betroffenen Gebieten verschleppt werden. Genau deshalb spricht Dr. Ernst im Podcast ausführlich über Hygienemaßnahmen und sinnvolle Vorsichtsregeln.
Symptome: Wann Jäger aufmerksam werden sollten
Die Schwierigkeit: Viele Anzeichen sind nicht eindeutig, weil ähnliche Symptome auch bei anderen Erkrankungen auftreten können. Trotzdem ist Aufmerksamkeit entscheidend – gerade in Regionen, in denen frühzeitige Hinweise wichtig wären.
Typische Warnsignale, die im Podcast besprochen werden:
- auffälliger Gewichtsverlust, Abmagerung
- Apathie, schwankender Gang, Koordinationsstörungen
- verändertes Verhalten, Verlust der Scheu
- vermehrter Speichelfluss, Probleme beim Schlucken
- allgemeiner „schlechter Zustand“ ohne klare Ursache
Ein wichtiger Hinweis aus dem Interview: Bei auffälligem Wild sollte der Weg über die zuständige Veterinärbehörde erfolgen – nicht warten, nicht bagatellisieren.
Übertragung und Umwelt: Warum CWD so schwer zu bekämpfen ist
CWD kann sich sowohl durch direkten Kontakt als auch über die Umwelt verbreiten. Prionen können über Körperflüssigkeiten und Gewebe in die Umgebung gelangen und dort lange stabil bleiben. Genau diese lange Haltbarkeit in Boden und Umwelt gehört zu den zentralen Gründen, warum CWD weltweit als so problematisch gilt.
Im Vergleich zu Erregern wie dem ASP-Virus wirkt das beinahe paradox: Während bestimmte Viren durch Standardmaßnahmen leichter zu inaktivieren sind, sind Prionen besonders widerstandsfähig. Selbst hohe Temperaturen sind kein „Allheilmittel“. Das ist einer der Gründe, warum Prävention – also das Verhindern der Einschleppung – eine so große Rolle spielt.
Diagnose: Wie wird CWD sicher nachgewiesen?
Eine CWD-Diagnose wird in der Regel post mortem gestellt, also nach dem Tod. Der sichere Nachweis erfolgt über spezifische Gewebeproben – typischerweise aus dem Bereich Gehirn/verlängertes Rückenmark und je nach Fragestellung Lymphknoten.
Im Podcast erklärt Dr. Ernst, warum eine Früherkennung im Feld praktisch kaum möglich ist:
- Symptome sind unspezifisch
- zuverlässige Tests brauchen geeignetes Gewebe
- sichere Ergebnisse erfordern standardisierte Laborverfahren
Außerdem ist die Differenzialdiagnostik wichtig: Andere Ursachen wie zum Beispiel neurologische Erkrankungen müssen mitgedacht werden, bevor man vorschnell Schlüsse zieht.
Was Jäger konkret tun können: Hygiene, Aufmerksamkeit und Mitarbeit
Das Wichtigste ist nicht Alarmismus, sondern konsequentes Handeln dort, wo es möglich ist:
1) Auffälliges Wild melden
Wer auffällige Symptome beobachtet, sollte den Fall dokumentieren und die zuständigen Stellen informieren.
2) Hygiene ernst nehmen – besonders nach Auslandsjagden
Für Reisen in Regionen mit CWD-Nachweisen (Nordamerika, Skandinavien) gelten klare Vorsichtsmaßnahmen: saubere Ausrüstung, gereinigte Kleidung, keine unnötigen Risikomaterialien.
3) Teilnahme an WiLiMan-ID
Jäger können mit gezielter Probeneinsendung helfen, den CWD-Status in Deutschland zu klären. In den Shownotes zur Episode findest du Links zur FLI-Informationsseite, zur Beschreibung der Probennahme und zu YouTube-Videos mit symptomatischen Tieren.
Technische Ergänzung zur Episode: CWD und Mensch
Aufgrund einer technischen Störung wurde eine Antwort im Interview nicht korrekt aufgezeichnet. Deshalb hier die wichtige Ergänzung in Kurzform:
Es gibt Prionerkrankungen beim Menschen, unter anderem die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Die BSE („Rinderwahn“) ist auf den Menschen übertragbar. Für CWD sind bislang keine Fälle beschrieben, in denen eine Übertragung auf den Menschen nachgewiesen wurde. Besonders in den USA wird das mögliche zoonotische Potenzial intensiv erforscht. Nach aktuellem Stand wird es als sehr gering eingeschätzt, ausschließen lässt es sich jedoch nicht.
Podcast hören und weiterempfehlen
Wenn dir die Folge hilft, Zusammenhänge zu verstehen und Risiken besser einzuordnen: Empfiehl sie bitte weiter. Das ist die einfachste Unterstützung für unabhängige Wissenschaftsformate.
Du findest die Episode unter „Jagdtalk“ in allen gängigen Podcast-Apps wie Apple Podcasts, Spotify oder Amazon Music (dort gern abonnieren) – alternativ auch direkt auf hier auf jagdtalk.de.
FAQ zur Chronic Wasting Disease (CWD)
Was ist CWD?
Eine Prionkrankheit bei Hirschartigen, auch chronische Auszehrungskrankheit genannt.
Ist CWD eine Viruskrankheit?
Nein. CWD wird durch fehlgefaltete Proteine (Prionen) ausgelöst, nicht durch Viren oder Bakterien.
Welche Tiere sind betroffen?
Vor allem Hirschartige: je nach Region und Art z. B. Rotwild, Rehwild, Sikawild, Elch, Rentier.
Woran erkennt man CWD?
Typisch sind Abmagerung, Verhaltensänderungen, Koordinationsprobleme und Schluckstörungen – die Symptome sind aber nicht eindeutig.
Wie erfolgt die Diagnose?
Über Laboruntersuchungen geeigneter Gewebeproben (häufig Gehirn/verlängertes Rückenmark, teils Lymphknoten), meist post mortem.
Gibt es CWD in Deutschland?
Die Episode erklärt, warum Deutschland aktuell überwacht wird und wieso WiLiMan-ID wichtig ist.



